Wenn man auf dem Wege von Klein-Pöchlarn nach Artstetten wandert, kommt man in einen Wald, der mit dem Flurnamen „In der Stampfleiten“ bezeichnet wird. Über einer Felsgruppe, die eine kleine Höhle bildet, befindet sich ein größerer Stein. Er hängt etwas nach vorn über. Das ist die „Stube der Stockhauben-Everl“.

Man erzählt, dass die Stockhauben-Everl ehemals ein sehr reiches Mädchen war. Es fand an einem herumziehenden Seiltänzer Gefallen. Die Eltern verwehrten ihrem Kind den Umgang mit dem Seilkünstler. Das Mädchen missachtete das Verbot seiner Eltern und lief einfach von daheim fort.

Everl, so wurde das Mädchen in der ganzen Umgebung genannt, zog mit dem Seiltänzer fort und heiratete ihn. Die Ehe der beiden war sehr glücklich. Everl gebar einen Knaben. Das Geschäft ihres Mannes ging gut, so dass die Familie ihr gutes Auskommen hatte.

Eines Tages kamen sie auf ihrer steten Wanderschaft wieder nach Klein-Pöchlarn. Hier wurde soeben das Kirchenweihfest gefeiert. Für den Seiltänzer war somit eine günstige Gelegenheit gegeben, seine Kunststücke auf dem Seil vor einer großen Menschenmenge zu zeigen. Die Bewilligung durch den Marktrichter war bald eingeholt. Der Künstler spannte das Seil von einem Baum über dem Platz auf das Dach eines Hauses. Eine riesige Menschenmenge hatte sich eingefunden, um die Darbietung des Seilkünstlers zu bewundern.

Da ereignete sich etwas Furchtbares. Der Ast an dem das Seil festgebunden war, brach ab. Ein hundertstimmiger Schrei scholl über den Platz. Der Künstler stürzte vom Seil. Everl stand in diesem Augenblick genau unter der Unglücksstelle.

Sie wollte mit allen Kräften den stürzenden Mann auffangen, doch dies gelang ihr nicht. Ihr Mann stürzte auf ihr Kind, das der Mutter unterdessen zugeeilt war. Beide waren auf der Stelle tot.

Als Everl aus ihrer Ohnmacht erwachte, führten soeben einige Männer die beiden Toten auf einem Karren fort. Rasch zähligen Küssen. Ihre Tränen flossen unaufhörlich und benetzten die Gesichter ihrer teuren Angehörigen.

Die Männer machten es Everl klar, dass die Verstorbenen kein christliches Begräbnis bekommen könnten, da „Herumziehenden“ ein solches verweigert werde. Sofort versiegten ihre Tränen. Sie nahm selbst den Karren und fuhr damit in den Wald bei Artstetten. Zwei Felsen mahnten sie, halt zu machen und hier die Toten zur ewigen Ruhe zu bestatten. Everl schaufelte selbst die Gräber und bettete in diese ihrer Lieben. Der Volksmund bezeichnet noch heute die zwei Felsen als die Gräber der Stockhauben-Everl.

Everl lebte von nun an nur noch in der kleinen Höhle in der Stampfleiten und verkehrte mit niemanden. Durch ihr maßloses Unglück war sie menschenscheu geworden. Eine Ziege war ihre einzige Freundin. Mit ihr lebte sie in der kleinen Höhle. Ihr erzählte sie von ihren Lieben, von ihrem vergangenen Glück und von ihrem unsagbaren großen Leid.

Weil Everl nur noch im Walde angetroffen wurde, hieß es bald allgemein, dass es mit ihr nicht ganz richtig sei. Everl wusste davon nichts, redete sie doch mit keinen Menschen. Einige Boshafte behaupteten, dass sie mit dem Teufel im Bunde stehe.

Wenn Everl nur an das andere Ufer, des an ihrer Höhle vorbeifließenden Baches wollte, musste sie einen Holzsteg benutzen. Eines Tages brach dieser. Everl stürzte in das Wasser und war tot. Ihre Haube blieb an einem Stock hängen. Dies mag den Namen „Stockhauben-Everl“ erklären. Die Einheimischen nennen ihn noch heute den Steg der Stockhauben-Everl.

Overnattinger Klein-Pöchlarn
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